Im Tempel des Heiden

Heute ist der wahre Siebenschläfertag, nicht der durch die Kalenderreform verzerrte Termin im Brachet. Auch wenn dieser Blog nach dem kleinen Nager und somit nach etwas Natürlichem benannt ist und nicht nach der Legende von den Sieben Schläfern, kommt diesem Tag eine besondere Bedeutung zu. Denn das heutige Wetter soll sieben Wochen anhalten.

Und es war wirklich erstklassig. Nach dem bis weit in den Ostermond reichenden Winter, dem verregneten Wonnemond und dem wechselhaften Brachet bricht sich Sunna im Heuert endlich Bahn, und wenn die alte Bauernweisheit stimmt, wird es ein prächtiger Sommer. Grund genug, dem Tempel des Heiden einen Besuch abzustatten.

Dieser Tempel ist kein altehrwürdiges Gemäuer mit Priestern und Reliquien, er ist auch kein dumpfes, staubiges, spitzbögiges Bauwerk gotischen Stils. Diese überlassen wir getrost und ohne Bedauern den Christen. Denn wir Heiden haben einen viel erhabeneren Tempel.

Heidentempel

Lasst uns die Natur besuchen, fernab der vielbegangenen Wege, auch wenn dies in unserem kleinen, übervölkerten Land manchmal schwer ist. Lasst uns bei frischer Luft das Rauschen der Bäume, das Summen der Insekten und den Gesang der Vögel hören. Oder, wenn wir dem Lärm der Kraftwagen und Flugzeuge nicht völlig entrinnen können, lasst uns bei leiser Ambient-Musik meditieren. Und bald schon werden wir im Inneren unsere wahren Götter spüren. Und wir treten mit ihren Geschenken beladen, die da Weisheit, Kraft und Gesundheit sind, den Heimweg an.

Der Volksdichter Ludwig Uhland bringt es auf den Punkt:

Nicht in kalten Marmorsteinen
Nicht in Tempeln dumpf und tot;
In den frischen Eichenhainen
Webt und rauscht der deutsche Gott.

© Siebenschläfer

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